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Rettet die Kohle!

Wenn Landesväter Briefe schreiben und merkwürdige Interviews geben

Bereits Ende April diesen Jahres haben sich die EU-Staaten auf strengere Richtlinien für den Schadstoffausstoß für Kohlekraftwerke verständigt. Die entsprechende sogenannte BREF-Richtlinie [1] (BREF = Best available technique reference documents) wurde am 31.07.2017 vom Kollegium der EU-Kommissionsmitglieder formell in Kraft gesetzt. 

Neue Grenzwerte für NOx, Quecksilber und Ruß bei Großkraftwerken

Die neu beschlossenen Grenzwerte für Stickoxide, Quecksilber und Rußpartikel sollen ab Mitte 2021 gelten. Anlagen, die diese Grenzwerte danach nicht einhalten, verlieren ihre Betriebserlaubnis. Gemäß einer von der European Climate Foundation (ECF) in Auftrag gegebenen Studie trifft das auf die Mehrzahl der heutigen Kohlekraftwerke zu. [2] 
Folglich sind kostenintensive technische Nachrüstungen dieser Kraftwerke unumgänglich. Irgendwie erinnert das ganze Szenario an die aktuelle Diesel-Diskussion, zumal es auch bei den Kraftwerken u.a. um NOx geht. Ähnlich sind auch die industriefreundlichen Positionen, die unsere führenden Politiker vertreten. Besonders hervorgetan hat sich dabei der sächsische Ministerpräsident,  Herr Tillich (CDU). So bekommt das im aktuellen Wahlkampf von SPD und CDU gerne propagierte Bild, sich für eine saubere Umwelt einzusetzen, ein paar tiefe Risse. 

Die Reaktion der deutschen Politik

Zunächst hat Deutschland neben Polen und ein paar weiteren Ländern, die immer noch gerne Kohle verstromen, bereits bei der Abstimmung im April gegen die Vereinbarung schärferer Grenzwerte votiert. Weil diese Vereinbarung nunmehr auch formell gültig wurde, sah sich Herr Tillich genötigt, einen Brandbrief an die Wirtschaftsministerin, Frau Zypries (SPD) zum Zwecke der Erhaltung der Braunkohlestandorte zu schreiben. Er tat dies im Namen seiner Amtskollegen der anderen „Braunkohleländer“ Armin Laschet (NRW – CDU), Dietmar Woidke (Brandenburg – SPD) und Reiner Haseloff (Sachsen-Anhalt – CDU). Der genaue Wortlaut des Briefes konnte leider nicht ermittelt werden. Obwohl verschiedentlich als „offen“ bezeichnet, findet sich im Internet keine Referenz auf das Dokument. Transparente Politik sieht anders aus. 

Tillichs bemerkenswerten Aussagen in einem Interview des MDR

Tillich fordert die Bundesregierung u.a. auf, gegen die neu festgelegten Grenzwerte zu klagen. In seinem Interview [3] mit dem MDR vom 21.08.2017 bezweifelt Tillich die Rechtmäßigkeit der Abstimmung der EU-Kommissare vom 31.07.2017. Seine Argumentation gegen den Beschluss zu klagen, beruht jedoch auf der Behauptung, die von der EU geforderten neuen Grenzwerte ließen sich mit den heute zur Verfügung stehenden technischen Mitteln gar nicht einhalten. Wörtlich: „Bei den Quecksilberwerten sagen unisono alle Beteiligten… selbst das Bundesumweltamt hat hier bestätigt, dass es dafür keine technische Lösung in absehbarer Zeit für diese, so verschärften Grenzwerte gibt.“ 
Nun – es geht beileibe nicht nur um das Quecksilber, sondern eben auch wieder um die nicht aus den Schlagzeilen zu verbannenden Stickoxide sowie um Feinstaub, dessen gesundheitsschädliche Wirkung ebenfalls unumstritten ist. Da sich Herr Tillich aber so sehr am Quecksilber festgebissen hat, liefern wir gerne einen…

…Quecksilber-Faktencheck

Die Behauptung, es gebe keine Möglichkeiten, die Quecksilberemissionen von Kohlekraftwerken deutlich zu reduzieren, wird u.a. in einem Artikel auf www.ingenieur.de widerlegt . [4] 
Das dort beschriebene Verfahren ist seit 2000 bekannt und wird in den USA erfolgreich eingesetzt. Die dort festgesetzten Grenzwerte für Quecksilber liegen bei etwa einem Viertel [5] der europäischen und sie werden natürlich auch eingehalten. Selbst Manager des VW-Konzerns mussten vor zwei Jahren lernen, dass die Amerikaner in Sachen Grenzwertüberschreitungen keinen Spaß verstehen.
Dass das Bundesumweltamt „unisono“ mit allen anderen, die wir Bürger gefälligst ernst zu nehmen haben, seine These vom unvermeidlich hohen Quecksilberausstoß der Kohlekraftwerke stützt, muss Herr Tillich wohl geträumt haben. Ebendieses Bundesumweltamt beschreibt detailliert weitere Verfahren zur deutlichen Verringerung der Quecksilberemissionen [6] 
War Herr Tillich nur schlecht informiert oder hat er uns in dem Interview schlicht ein paar alternative Fakten präsentiert?

Die EEG-Lüge

Gegen Ende seines Interviews weist Herr Tillich auf die Geldverschwendung durch die EEG-Umlage hin und behauptet, dass die  Braunkohlewirtschaft ohne staatliche Förderungen auskommt. . 
Tillich bezeichnete gegenteilige Äußerungen des energiepolitischen Sprechers der sächsischen Grünen Dr. Lippold als Unsinn und fuhr dann fort:
„…Er (gemeint war Lippold) weiß ganz genau, dass die Braunkohlewirtschaft weder subventioniert wird – im Gegenteil; uns kostet die Energiewende 1000 Millarden Euro nur allein an EEG-Vergütungen. Ich könnte mir durchaus vorstellen, dass man mit diesem Geld Sinnvolles auch in der Verbrennung von fossilen Brennstoffen, in der technischen Entwicklung hätte machen können.“
Zunächst müssen wir Herrn Lippold darin zustimmen, dass die Braunkohleindustrie sehr wohl direkt durch staatliche Behilfen z.B. bei der Tagebaurestlochsanierung [7] unterstützt wird. Dieser Posten ist aber, verglichen mit den Klimafolgeschäden der fossilen Energieerzeugung, die Greepeace in einer Studie aufgerechnet hat, fast vernachlässigbar. 
Auch in der Frage der von 2000 bis einschließlich 2017 gezahlten EEG-Vergütungen liegt Herr Tillich um mehr als den Faktor 4 daneben. Laut einer Tabelle aus einem passenden Dokument des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie [8] (Seite 5) haben wir 232.281 Mrd. errechnet. Herr Tillich tut überdies so, als wären seine herbeiphantasierten 1000 Mrd. ausgegebenes Steuergeld. Wir erinnern ihn deshalb daran, dass die EEGVergütungen von Anfang an als EEG-Umlage auf den Stromrechnungen der Bürger erscheinen. Wir PIRATEN sind im Übrigen deshalb für die komplette Abschaffung der EEG-Zulage für Neuinstallationen regenerativer Energieerzeugungsanlagen.

Die Rettung der Kohle – darum geht es

Ob damit jedoch nur die Braunkohle und die an ihr hängenden Arbeitplätze gemeint sind, wie Herr Tillich behauptet? Spielt nicht vielmehr die Kohle, die die großen Energieerzeuger durch weiteren sanktionslosen Betrieb ihrer klimaschädlichen Dreckschleudern zu verdienen gedenken, die Hauptrolle; nicht zu vergessen dabei die Gewinne, die diese Energieerzeuger und mit ihnen die vier großen Übertragungsnetzbetreiber durch den Stromexport erzielen? [9] 
Das Totschlagargument „rettet die Arbeitsplätze“ zieht natürlich immer, um die wahren Hintergründe zu verschleiern. Wir sollten aber endlich aufhören, alles immer nur aus wirtschaftlicher Sicht zu betrachten. Diesem Ansatz folgend, könnten wir sehr leicht irgendwann an unserem eigenen Dreck oder unserer eigenen Unvernunft ersticken. 
Die Weiterführung der Energieerzeugung aus fossilen Brennstoffen ist im höchsten Maße unvernünftig. Sie muss so schnell wie möglich beendet werden. Die EU-Bürokraten haben mit ihrem Beschluss, die Emissionsgrenzwerte für Kohlekraftwerke zu verschärfen, einen Beitrag dazu geleistet. Wohl wissend, dass auch diesem Beschluss knallharte wirtschaftliche Interessen zugrunde liegen, können ihn deshalb nur begrüßen. 

Alternativen 

Die vorhandenen Technologien der Energieerzeugung aus regenerativen Quellen sind ausgereift, andere in der Entwicklung. Die regenerative Energiewirtschaft bietet damit  genügend Potential zur Schaffung neuer Arbeitsplätze. Diesem Fakt sollte die Politik Rechnung tragen und entsprechend handeln. Die Ministerpräsidenten der Kohleländer scheint das nicht weiter zu kümmern.

Weitere Quellen: 

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