Ein zugegebener Maßen subjektiver Reisebericht, der ausschließlich die Meinung des Autors darstellt:

Begonnen hat das verlängerte Wochenende mit dem Nachtflug nach Reykjavik, der Donnerstag um 22.00h abheben sollte. Natürlich mit Boarding Delay wie bei dieser Fluggesellschaft üblich.

Dazu hatten wir viel Wind auf der Nase und sind irgendwas um 03.00h deutscher Zeit verspätet aber sicher angekommen. Der Flughafenbus fuhr sogar bis vor die Hoteltür, die quasi offen stand.
Anwesende, europäische Piratenprominenz würdigte einen weder im Warteraum, noch im Flieger noch im Bus eines Blickes, deren Problem.

Das Zimmer war in Ordnung, allerdings würde man für den Preis in der Heimat erschlagen werden. Mit den Preisen ist das in Reykjavik ohnehin so eine Sache, sollte man später deutlich merken. Da noch einige Dinge zu erledigen waren, 05.30h Schluss und die Uhren um zwei Stunden zurückgestellt. Das sieht dann doch gleich viel freundlicher aus.


Leider auch hier nur dieses „bis 10h Frühstück“, daher war die „Nacht“ zum Freitag recht kurz.
Irrigerweise hatte ich angenommen, dass die deutschen Piraten irgendwas koordinieren oder organisieren würden. Wie kann auch nur auf den Schwachsinn kommen. 😉 Immerhin gab es eine Twittergruppe, so dass man schon erfahren hat, in welchem Solebad Entspannung gesucht wurde.

Also mit dem Stadtbus ins Innere (bitte passend zahlen, kein Rückgeld, egal welcher Schein) und gesucht, wo das Hauptquartier, die „Tortuga“, der Piraten wohl sein könnte. Fußläufig ist anders, also freuten sich die „preisgünstigen“ Taxifahrer.

Die Isländer waren eigentlich nur mit sich selbst beschäftigt, kann man verstehen, sind ja überschaubar viele und vermutlich der gleiche Aktivitätseinsatz, also 10% machen alles.

Danach ging es zum Piratenschiff (auch „Tortuga“). Der Kahn war ein angemieteter „Walbeobachter“, aber immerhin etwas wärmer als draußen und zumindest windstill. Dieses „windstill“ hat was, wenn man beim Gehen fast weggeweht wird.

Passiert ist nichts, außer dass zahlreiche Piraten aus ca. 15 Ländern nach und nach aufgeschlagen sind. Plan A, Inselausflug, wäre die bessere Wahl gewesen. Dafür hat später ein deftiges und sündhaft teures Essen teilweise entschädigt.

Spätabends war dann noch eine Sitzung der AG Singlemalt International in einer angemieteten Privatwohnung. Vielleicht eine gute Alternative.


Samstag lässt einen der Wind und „Regen waagerecht“ ziemlich nass werden, trotz „Artik-Jacke“. Da ist der Besuch des Parlaments und der „Innenstadt“ ein ganz toller Gedanke.

Aber ich war da und habe das tapfer bildlich festgehalten.

So war ein neuer Aufenthalt im Tortuga-Schiff zumindest zum Trocknen ganz hilfreich. Diesmal waren gefühlt mehr Isländer als Ausländer anwesend. Übrigens mit einem erstaunlich hohen Frauenanteil; die Damen haben allerdings einen sehr selbstbewussten Eindruck gemacht, eigentlich eine Art Familientreffen. Das stelle man sich einmal bei den deutschen Piraten vor.

Da die Kleidung nicht mehr tropfte, habe ich mich mit einem netten „Altenpfleger“ aus Hessen auf den für mich viel zu langen Fußweg zur Wahlparty in einem Brauereirestaurant gemacht.

Das war noch vor der angegebenen Öffnungszeit, deswegen konnte man sich einen strategisch gut gelegenen runden Tisch aussuchen. Ein guter Plan. Zwei Burger, etwas Käse und zwei Bier haben auch nur 100 EUR gekostet. 😉

Die Stätte war sehr professionell von den isländischen Piraten aus- und aufgebaut worden. 30 angemeldete Kamerateams wollen ja auch untergebracht werden. Es gab Interview-Ecken und sehr freundliche PR-Menschen. Ich durfte auch was in eine Kamera sagen, OMG. 😉 Hier traf das zu: Einmal mit Profis, erinnerte an alte Zeiten bei Bundesparteitagen.

Die Ausbeute meiner Presseakkreditierung waren ein paar Interviews für daheim, mal sehen, was man da zusammenschneiden kann.

Dann kam gegen 22.00h die erste Hochrechnung rein, deutlich unterhalb der „Umfragen“, die man wirklich in die Tonne treten konnte. Zumindest war alles sehr überfüllt und bester Stimmung.

Das Ergebnis war ein toller Erfolg für isländischen Piraten, statt 3 jetzt 9(10) Mandate (gesamt 63, Mehrheit bei 32) und die drittstärkste Kraft im Parlament mit 14,4% und aufgrund der komplizierten Regierungsbildung mit einem Fuß in der Regierung. Der konservative Ministerpräsident ist jedenfalls schon mal zurückgetreten.

Die Umfragen hatten vorher ein völlig unrealistisches Bild von 30-40% für die Piraten gezeichnet, erst kurz vor der Wahl schrieb man von 15%-18%, ein Wert, den auch die isländischen Piraten zu vermittelt hatten. Das Positive an dieser Übertreibung war, dass die Medien relativ verwirrt über die zumindest theoretische Möglichkeit einer Regierungsbeteiligung – sogar unter Führung der Piraten – spekulierten und für eine Weile  „KiPo“, „Sackkarre“ und „Ex-Pirat“ nicht die beherrschenden Adjektive waren.

Ein spannender Abend, der erst am Morgen die vorläufig endgültige Sitzverteilung von 10 Mandaten für die Piraten ergab.


Sonntag wurde mein angepeilter Inselausflug mangels Teilnehmer abgesagt, kann man bei dem Sauwetter verstehen. Daher nur ein „Imbiss“ (50 EUR) und zum Besuch der Pressekonferenz Piratenpartei Island zum Wahlausgang.
Der Zuspruch der internationalen Presse war eigentlich ganz hübsch, aber man kann doch nicht eine PK mit „jetzt nur noch eine Frage, denn wir sind müde“ abbrechen. Das Interesse der Medien ist doch ein Geschenk. Kommunikation, 1. Semester oder so. 😉

Im Anschluss ergaben sich einige Hintergrundgespräche, nebst neuen Aspekten in der Wikileaks-Story. Da wird sich bestimmt mal jemand äußern, wie es wirklich war. 😉

Der Rückflug stand als nächstes auf dem Programm, nebst Koffer vom „Parkplatz“ abholen. Aufgrund dieser merkwürdigen Verkehrsverbindungen am Sonntag war ich viel zu früh am Airport in Kevlavik. Man weiß halt nicht, wie ernst die Herrschaften ihren Fahrplan nehmen und irgendwas wurde da gerade „umgestellt“.

Bei Free Wi-Fi (ist so der Standard in Island, nebst gutem Empfang in jeder Gletscherspalte) konnte ich dann viel Text in den Laptop hämmern. Überflüssig zu erwähnen, dass natürlich Strom- und USB-Anschlüsse überall leicht auffindbar waren.


Fazit: Ein nettes Familientreffen der internationalen Piraten, zwar weitgehend wirkungslos, aber nett, plan- und kommentarlos.
Der Anlass war es aber allemal wert. Solche guten Wahlergebnisse bauen doch auf! Und diese ganze „Lügenpresse“ hat mal mit einem gewissen Respekt berichtet und diese Ex-Deppen nicht um ihre völlig unmaßgebliche Meinung befragt. Hoffen wir mal, dass der Rückenwind anhält.

Aber die Jahreszeit ist mehr als ungeeignet, aber was soll‘s, die Preispolitik auf der Insel ist so angelegt, dass man sich diesen „Platintrip“ nur einmal leisten möchte.


Wie geht es nun weiter:

Im Parlament sind jetzt sieben Parteien vertreten. Die beiden Rechtskonserativen, Unabhängigkeitspartei und Fortschrittspartei können mit 29 Mandaten keine Regierung bilden und die vier Parteien des Linksbündnisses (Linksgrüne Bewegung, Piraten, Leuchtende Zukunft und Sozialdemokratische Allianz, 27 Mandate) haben schon vor der Wahl eine Koalition vereinbart. Bleibt eine kleine Reformpartei (7 Mandate) noch übrig. Es sind alle möglichen Optionen noch offen, auch eine Minderheitsregierung. Die Mehrheit liegt bei 32 von 63 Mandaten.

Die demokratisch parlamentarischen Verhältnisse in Island sind allerdings mit denen der  EU-Mitgliedsstaaten nicht vergleichbar. Da in Island fast jeder jeden kennt („wenn jemand morgens eine Tür Milch kaufen geht, weiß das die ganze Insel“), gibt es auch eine ganz andere Mitmach-Tradition. Nicht von ungefähr ist der Althing das älteste Parlament überhaupt (seit 930). Man ist also gewohnt, miteinander zu arbeiten. Das hat solange geklappt, bis die Korruption der Rechtsparteien die Insel in ein wirtschaftliches Desaster gestürzt hat. Auch hier wurde anders (und richtig) gehandelt: Die Banken gingen als Urheber pleite und die Banker in den Knast.

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